top of page

Aufwachen.

  • Daniel
  • 13. Sept. 2024
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 11. Jan.

In diesem Text werden Gedanken geteilt, die der Frage nachgehen, wohin wir uns als Gesellschaft entwickeln, wenn sich jede und jeder nur sich selbst wichtig ist.

Wir sprechen zwar die gleiche Sprache, aber nicht eine gemeinsame. Ich habe lange danach gesucht, was mich angesichts der gesellschaftlichen und weltpolitischen Lage innerlich aufwühlt. An einem Abend erlangte ich eine Erkenntnis, die mir wie Schuppen von den Augen fiel. Unser Leben, unser Alltag ist geprägt von Sprache. Gesprochen oder unausgesprochen. Wir kommunizieren immer. Paul Watzlawick formulierte bereits 1967 in seinen fünf Axiomen einen der bekanntesten Sätze "Man kann nicht nicht kommunizieren". In diesem Text möchte ich einerseits meinem subjektiven Empfinden zum Entfremden der gemeinschaftlichen Sprache eingehen. Anderseits möchte ich verdeutlichen, dass wir zwar immer in der gleichen Sprache kommunizieren, uns aber der gemeinsame Nenner der Haltung dahinter verloren geht. Die gleiche Sprache meint in meinem Verständnis und meinem Lebensumfeld die (Schweizer-) deutsche Sprache. Dass in der Schweiz eine Vielfalt an Sprachen gesprochen wird, ist mir bewusst und in diesem Kontext nicht relevant. Was ich ausdrücken möchte, kann auf alle sprachlichen Gruppierungen übertragen werden.


Beim Lesen meiner Lieblingslektüre (Sonntagszeitung) bin ich vermehrt besorgt, wohin wir uns als Gesellschaft hin entwickeln. Eigene Sichtweisen werden als alternativlos betrachtet und gelten als Position, die es nicht nur zu vertreten, sondern die gegenteilige Ansicht zu bekämpfen gilt. Die Sprache, in der Sonntagszeitung die geschriebene, ist gefärbt durch die Haltung des Medienhauses und dessen Journalist:innen. Und dennoch geben sie das weiter, was die interviewte Person meint uns sagt. Mich besorgt, dass offenbar nicht ausschliesslich einer Gesamtschau, ein Miteinander angestrebt wird, sondern dass wieder vermehrt extremen Ansichten, die antiquiert gehören, einen Platz in der Öffentlichkeit erhalten. Einfache Rezepte auf komplexe Probleme verschaffen möglicherweise in der gesellschaftlichen oder persönlichen Orientierungslosigkeit die sehnsüchtig suchende Sicherheit.


Sich seine eigene politische Haltung bewusst zu werden bedarf viel Reflektion. Für mich spielen dabei das Bewusstwerden der eigenen, persönlichen Haltung und das Menschenbild eine zentrale Rolle. Angesichts der Meinungsartikel von gesellschaftlich relevanten Personen besorgt mich das Auseinanderdriften von Haltungen und das unterschiedliche Auffassen "unserer" Werte. Wir sollten doch tief im Herzen miteinander verbunden sein und die auf christlichen, wertebasierten westlichen und europäischen Errungenschaften leben. Heute müssen wir dafür kämpfen. Und wie wir sehen nicht nur sprachlich, sondern auch mit Waffengewalt. Was ist nur passiert? Rüstungsfirmen verzeichnen Milliardenumsätze und die Aktien schiessen in die Höhe. NGOs hingegen werden in Teilen der Welt mundtot gemacht und Journalismus - Immerhin die vierte Gewalt in unserem Land - wird mehr denn je hinterfragt oder an ihrer Arbeit behindert. Weshalb sind gerade in der Migrationspolitik Quoten und Zahlen wichtiger als ein Menschenleben? Weshalb wird das menschliche Leben unterschiedlich bewertet, beispielsweise in "die falschen", was wiederum im Umkehrschluss bedeutet, dass es offenbar auch "richtige" Geflüchtete gibt. Weshalb verfallen wir in egoistische Haltungen und vergessen die Solidarität. Und dies nicht nur im Grossen. Auch Gesten und Handlungen im eigenen Handlungs- und Einflussbereich sind enorm wichtig. Weshalb verschliessen wir uns? Nicht nur als Personen, sondern im wahrsten Sinne des Wortes die Landesgrenzen. In einen Dialog treten, miteinander diskutieren, einander zuhören und Gespräche führen ist kaum mehr möglich. Ein Einfinden in einer Schnittmenge, in einer gesunden Mitte, einem Kompromiss scheint nicht für alle gleichermassen erstrebenswert. Die eigene Agenda im politischen Sinne wird verfolgt, um vielleicht mehr der eigenen Klienten zu gefallen als dem übergeordneten Wohl zu sorgen. Eine eigene Meinung vertreten, Farbe bekennen dünkt mich sehr wichtig. Mir scheint nur, dass in einem Diskurs die eigene Farbe nicht heller, sondern vielfach dunkler wird und sich somit die eigene Position verhärtet. Wir verbleiben dadurch in der Froschperspektive. Die aus meiner Sicht viel wichtigere Vogelperspektive bleibt aus. Das Grosse und Ganze sehen und die fundamentalen oben erwähnten Werte im Herzen berücksichtigen, gehen verloren. Wir sprechen in der gleichen Sprache übereinander, aber nicht in einer gemeinsamen Sprache miteinander. Ich wünschte mir eine Gesellschaft, die im Herzen offen ist. Höchstwahrscheinlich ist diese Offenheit nicht immer sichtbar. Angesichts des Leids auf der Welt denke ich jedoch, dass unsere Herzen offener sind, als ich vermute. Es fällt mir nur schwer, diese Offenheit zu erkennen, insbesondere wenn ich an all die weltweiten Konflikte denke. Die politische und geschichtliche Komplexität ist enorm. Dennoch denke ich vielfach darüber nach, wie hoch die Anzahl der sogenannten politisch "Abgehängten" ist und woher der gesellschaftliche Frust kommt.


Wohin geht unsere Reise? Wann hören wir die vielfach stumme Mitte unserer Gesellschaft? Wann wachen wir auf? Was wartet auf uns? Diese Frage trifft mich emotional sehr stark. Insbesondere wenn ich an den fünfjährigen Sohn eines befreundeten Paares denke. Ich frage mich: Was wartet auf ihn? Was erwartet ihn? Ich sehe ihn aufwachsen und sehe eine unbeschwerte Kindheit. Er findet sich arg- und furchtlos in seiner eigenen Welt zurecht. Dann dieses Staunen, wenn ich ihm aus einem Buch vorlese und er gänzlich, vorbehaltlos und unvoreingenommen in die Phantasie- und Fabelwelt eintaucht. Und gleichzeitig frage ich mich, wo wir in zehn Jahren stehen, wenn er 15jährig ist? Und welche Welt findet er vor - nicht nur im ökologischen Sinne, vielmehr im gesellschaftlichen Sinne? Zudem hinterfrage ich mich, was mein persönlicher Einflussbereich ist und ob wir als Gesellschaft so weit aufwachen, wenn nicht für uns, dann zumindest, dass wir für unsere Schwächsten in unserer Gesellschaft zusammenrücken. Möglicherweise wird uns der gesellschaftliche Kit wieder stärker bewusst, wenn wir mit unserem Herzen schauen. Wenn wir Liebe weitergeben. Einen Sinn und einen Grund in unserem Handeln sehen und dem Licht der Hoffnung folgen. Und, wenn wir wieder lernen, die gemeinsame Sprache zu sprechen.


Zu diesem Text wurde ich inspiriert durch den Song "Wann wachen wir auf".


Comments


Inputs. Fragen. Anmerkungen.
Wir freuen uns auf dein Feedback! 

Danke für deine Nachricht

Impressum      Datenschutz       Netiquette

© 2025 Gedankenchuchi

bottom of page