Intelligenz.
- Daniel
- 19. Apr. 2022
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 5. Juni 2022
Weshalb wir einen gelasseneren Umgang zum Thema Hochbegabung und Intelligenz anstreben sollten. Hier ein möglicher Versuch um zu relativieren.

Nicht erst seit gestern gibt es einen schier endlosen Run oder Hype von Eltern zum Thema Intelligenz und Hochbegabung. So scheint es, dass inzwischen alle Kinder hochbegabt sind oder eine sogenannte Inselbegabung besitzen. Vermag man den Ansichten von Eltern glauben, erlaubt es den Erfolg einzig und alleine einer vermeintlich akademischer Laufbahn. Dass dies nicht der Fall sein muss, zeigen unzählige Beispiele. Nur schon die Definition von eigenem Erfolg sagt viel über unsere Persönlichkeit aus. Die Einen verbinden den Erfolg auf monetärer Ebene, Andere wiederum eher auf dem Voranbringen und Bewegen von einem sinnhaften Thema. Es gibt natürlich kein richtig oder falsch. Jede Laufbahn, die zufällig oder strukturiert geplant ist, ist eine persönliche Entscheidung. Dass ich eher eine Laufbahn anstrebe, die einen tieferen Sinn hat, ist wohl unumstritten. Mir liegt es gerade deswegen am Herzen, dass wir einen gelasseneren Umgang mit Erfolg in Kombination von Intelligenz finden sollten. Erfolg an Intelligenz oder umgekehrt zu knüpfen scheint mir sowieso zu kurz gedacht.
"Intelligenz lässt sich ganz allgemein als Fähigkeit zum Problemlösen unter Zeitdruck definieren".
Intelligenz ist ein umstrittener Begriff. Gleichermassen umstritten sind Intelligenztests. Gleichwohl ist Intelligenz in der Psychologie so gut erforscht wie kaum ein anderes persönliches Merkmal. Folgt man der Definition von Gerhard Roth (deutscher Biologe und Hirnforscher) dann lässt sich Intelligenz wie folgt zusammenfassen: "Intelligenz lässt sich ganz allgemein als Fähigkeit zum Problemlösen unter Zeitdruck definieren". Und weiter meint Roth: "Ein intelligenter Mensch ist jemand, der schnell sieht, was Sache ist, und dem ebenso schnell einfällt, was jetzt zu tun ist - und der dabei meist Erfolg hat".
Einleitend ein paar Zahlen:
Ein Blick in die Statistik verrät, dass nur ein geringer Anteil der Bevölkerung hochbegabt ist. Als Veranschaulichung dient die Normalverteilung (Gaussverteilung). Ein Intelligenzquotient (IQ) von 100 entspricht dem statistischen Durchschnitt. Berücksichtigen wir die Standardabweichung (statistische Streuung) von +/- 15 Punkten, dann entspricht dies einer Bevölkerungsgruppe von rund 70%. Sprich, 70% einer Bevölkerung im westlichen Kontext ist intelligent. Wird die zweite Standardabweichung berücksichtigt (+/- 30 Punkten), dann entspricht dies einem Wert von 95% der Bevölkerung, die normal intelligent oder leicht minder- bzw. erhöht intelligent sind. Die verbleibenden 5% entsprechen je hälftig der Population an Menschen, die minder- oder hochbegabt sind. Beide Gruppen umfassen somit jeweils gut 2% der Gesamtbevölkerung. Ein Mensch mit einem IQ von über 130 gilt als hochbegabt. Ein Mensch mit IQ unter 70 gilt als minderbegabt. Diese Logik der Normalverteilung berücksichtigt jedoch noch nicht bedingte Faktoren wie Gene, vor- oder früh-nachgeburtliche Ereignisse und Erlernbarkeit. Kurz gesagt: Rund 70% aller Menschen haben einen IQ nahe dem Mittelwert (100 Punkte). 25% aller Menschen sind statistisch weniger oder mehr intelligent als der Durchschnitt. Und nur gerade 2.5% alle Menschen sind hoch- bzw. minderbegabt.
Betrachten wir einen der bekannten IQ-Tests (HAWIE-R) werden vier Intelligenzbereiche berücksichtigt: Sprachverständnis, wahrnehmungsgebundenes logisches Denken, Arbeitsgedächtnis und Verarbeitungsgeschwindigkeit. Dabei werden die Auswertungen immer auf eine gewisse Altersgruppe (z.B. Kinder, Jugendliche, etc.) bezogen. Das Resultat gibt einen Aufschluss über individuelle Begabungen, Stärken und Schwächen. Ein intelligenter Mensch ist in vielen Bereichen begabt und hebt sich von Menschen ab, die "nur" in einzelnen Bereichen begabt sind. Menschen, die in einem spezifischen Bereich begabt sind besitzen eine sogenannte Inselbegabung.
Was heisst das nun?
Ob und wie stark Intelligenz angeboren oder erlernbar ist, dazu gibt es unterschiedliche Auffassungen. Meine Kenntnisse reichen nicht aus, um über die Frage "angeboren oder nicht?" zu philosophieren. Zu tief geht dies in neurowissenschaftliche Bereiche. Vielmehr sehe ich die Möglichkeit über Umweltfaktoren nachzudenken. Zu diesen zählen beispielsweise früh-nachgeburtliche Ereignisse oder der sozioökonomische Status. Zur Frage "angeboren oder nicht?" kann ich auf den Korrelationskoeffizient verweisen. Kurz: Dieser weist nach, dass die Intelligenz einer sechsjährigen Person im Alter von 40 Jahren ziemlich gut vorhersehbar ist. Zurück zu den Umweltfaktoren. Gemäss Roth ist es so, dass es keinen Zweifel daran geben kann, dass vorgeburtliche oder früh-nachgeburtliche Ereignisse eine grosse Rolle auf die Entwicklung von Intelligenz haben. Genannt werden beispielsweise die Qualität des sprachlichen Umgangs, einen warmherzigen Erziehungsstil oder das Ermutigen von künstlerischen Leistungen. Dies sind positive Einflüsse auf die Entwicklung der Intelligenz. Negative Einflüsse und eine Häufung von Risikofaktoren können zu einer Minderung der Intelligenz von bis zu 30 IQ-Punkten führen. Neben diesen Faktoren spielt ein weiterer Faktor eine wesentliche Rolle: Sozioökonomischer Status. In dieser doch auch umstrittenen Überlegung geht es darum, dass Menschen, die einen höheren sozioökonomischen Status ausweisen im Allgemeinen einen höheren Berufsstatus vorweisen. Dies könnte daran liegen, dass davon ausgegangen wird, dass Eltern in einem gesellschaftlich hohen Status eine höhere Schulbildung geniessen konnten und damit ein Klima schaffen, das interessenfokussiert ist. Dies würde bedeuten, dass nebst der erhöhten Grundintelligenz weitere Faktoren wie Motivation und Fleiss positiv beeinflusst werden könnten.
Hochbegabung - Was ist das?
Dieser Begriff führt vielfach zu hohen Emotionen in Gesprächen. Wie eingangs erläutert, betrachten viele Eltern ihre Kinder als hochbegabt. Eltern messen sich daran, was ihr Kind noch besser kann als andere und daher extra gefördert werden sollte. Klar bin ich der Meinung, dass Kinder, die wirklich hochbegabt sind, Raum und Freiheit benötigen, um ihre Begabungen voll ausleben zu können. Wie die Statistik zeigt, betrifft dies jedoch nur ein Bruchteil aller Personen. So beziehe ich mich in diesem Beitrag nicht auf diese Hochbegabte, sondern vielmehr auf diejenigen, die sich als hochbegabt bezeichnen oder bezeichnen lassen. Vom Begriff Hochbegabung abgegrenzt werden muss der Begriff Inselbegabungen. In der Öffentlichkeit werden meist Personen mit Inselbegabungen wahrgenommen. Diese wirken meist egozentrisch oder wenig sozialkompetent. Eine Hochbegabung liegt ab einem IQ von über 130 vor. Dieser Wert sagt aus, dass intelligente Personen eine allgemein hohe Intelligenz verfügen. Dies bedeutet, dass sie die Fähigkeit besitzen, in vielen Bereichen ausserordentlich gut zu sein. Roth nennt zudem folgende Merkmale: "Hochbegabte können früher sprechen und laufen, haben deutlich höhere Schulleistungen, zeigen meist Mehrfachbegabungen und sind in dem was sie tun hochkreativ". Hochbegabt sein bedeutet also, dass es solchen Personen in der Regel oft einfacher fällt eine allgemein sehr gute Leistung in unterschiedlichen Bereichen zu zeigen.
Fazit
Die meisten von uns sind allgemein gesagt intelligent. Es gibt statistisch kleinere Abweichungen, die eine Person eher minder- oder eher höher begabt sehen. Dies aus der Fähigkeit heraus, Probleme besser oder schlechter, schneller oder langsamer zu lösen als in einer Vergleichsgruppe. Personen mit hoher Intelligenz, Hochbegabungen oder Inselbegabungen benötigen Strukturen und Raum, sich dort weiterzuentwickeln, in denen sie stark sind. Lassen wir einen angenehmeren Umgang mit der Begrifflichkeit der Intelligenz finden. Fokussieren wir auf die individuellen Stärken, Talente und Potenziale der Kinder und Jugendlichen. Lassen wir sie experimentieren und Freude entwickeln. Dies steigert die intrinsische Motivation, erhöht den Selbstwert und den persönlichen Purpose.
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