Ritual.
- Daniel
- 6. Apr. 2023
- 3 Min. Lesezeit
Ostern stehen an. Und damit verbunden verschiedene Rituale. Ein Replik auf Handlungen, mit denen wir uns vertraut fühlen und uns in dynamischen Zeiten Halt und Sicherheit geben.

Rituale sind nach vorgegebenen Regeln ablaufende, meist formelle und oft feierlich-festliche Handlungen mit hohem Symbolgehalt. Soweit die formelle Definition von Ritualen. Rituale sind meist kirchlich oder religiös angehaucht. Doch losgelöst von diesem Gedanken geben uns Rituale Halt, Geborgenheit und Sicherheit. Rituale haben ihre eigene Schönheit. Eine symbolische Kraft. Ostern stehen vor der Tür und damit die Vorfreude auf all die seit der Kindheit an festgelegten Handlungen: Osterkuchen backen. Ostereier färben, verstecken. Osternest basteln. Osterhasen verstecken. Osterkerze. Osterlamm.
Der koreanische Philosoph Byung-Chul Han meint zu Ritualen: "Rituale sind Einhausungen". Damit meint er, dass uns Rituale Struktur geben. Sozusagen die Zeit und den Raum einhausen, also einordnen. Wir haben Rituale zu Ostern, zu Weihnachten, zum Schuljahresende, zum Geburtstag, den "Räbenliechtliumzug". Es gibt dabei verschiedene Arten von Ritualen. Gesellschaftlich gelebte und akzeptierte sowie persönliche, individuelle meist auch familiär geprägte Rituale. Denken wir auch an die Rituale, die für Kinder wesentlich sind. Beispielsweise das Schlafengehen. Nicht wenige Eltern erkennen sich wohl darin, dass eine Gute-Nacht-Geschichte vor dem Schlafengehen nicht fehlen darf. Oder auch die Zahnfee oder das Sandmännchen. Unzählige, regelmässige Handlungen oder symbolische Gestalten, Fabelwesen oder Geschichten sind für Kinder wichtig. Diese geben die oben erwähnte Geborgenheit und Sicherheit. Für Kinder wohl auch viel Raum für Kreativität, Phantasie, Spielerei und Träumerei. Festgelegte Handlungen unterstützen uns Erwachsenen ebenso. Beispielsweise bei einem Todesfall. Es kann etwas beruhigendes oder entlastendes haben. Besonders in emotional schwierigen Zeiten wirkt es beruhigend, wenn klar vorgegeben ist, wie was wann wo abläuft. Die Begrifflichkeit von Einhausungen gefällt mir sehr gut. Denn die bis hier beschriebenen Rituale und Handlungen sind solche, die meist aus meiner Kindheit heraus geprägt und heute ebenso wichtig sind. Doch die persönliche Entwicklung und die daraus entstandenen Perspektivenwechsel prägten neue Werte und Grundhaltungen. Jahrhundertjahre alte Rituale, meist auch Bräuche, sind mir persönlich wichtig. Sie geben die oben beschriebene Einhausung in der Zeit. Sie lassen Raum zum reflektieren, in dem ich mit Demut auf den Ursprung eines Rituals blicke. Denken wir an Todesfälle und die Totenwache, die früher ein wichtiger Bestandteil des Abschiedsnehmens war. Für mich gehört die Totenwache nicht zum Abschied nehmen. Doch symbolisiert ein Licht, eine Kerze das Gedenken an einen Verstorbenen. Und der 1. November als Jahrestag ist wichtig dafür, dass wir als Gesellschaft unsere individuellen Rituale dazu pflegen. In den vergangenen Jahren spürte ich vermehrt, dass für mich die ursprüngliche Form von Ritualen immer wichtiger werden, so beispielsweise auch Weihnachten. Oder eben aktuell Ostern. Kurz gefasst heisst dies für mich: Weniger Kommerz und wieder mehr Tradition.
Nun gut, doch wie ist die Haltung bei Ritualen, die nur dem Zweck dienen, dem Traditionswillen diese durchzuführen. Den familiären Frieden zu wahren, weil "schon immer so". Dazu habe ich eine eher kritische Haltung. Auch der Schweizer Philosoph Yves Bossart meint arg kritisch:
"Rituale sind kollektive Zwangshandlungen, gesellschaftlich akzeptierte".
Diese Aussage ist vielleicht etwas sehr streng. Doch ich verstehe diese so, dass wir als Gesellschaft oft Dinge tun, nur damit wir die Tradition wahren. Handlungen vornehmen, weil dies allgemein so erwartet wird. Die kritische Haltung gegenüber Ritualen, meist solche mit religiösem Hintergrund, kann so verstanden werden, dass diese der heutigen, diversen Gesellschaft nicht mehr ganz und voll entspricht. Zu bunt ist die Gesellschaft, sodass sich "alte" Rituale ebenfalls an die neuen Gegebenheiten anpassen sollten. Hochzeiten, kirchlich oder nicht kirchlich durchgeführt, sind für mich ein klassisches Beispiel. Gewisse Handlungen, Programmhöhenpunkte sind für viele klar festgelegt. Denken wir nur an den Brautstrauss. Den Hochzeitstanz. Das gemeinsame Tortenanschneiden. Wo bleibt die Individualität des Brautpaars? Die Individualität, die ein Fest einmalig macht. Die eine persönliche Note des Brautpaars in die Zeremonie einbringt. Hier wünschte ich teils mehr Mut und Offenheit. Damit Rituale nicht zu kollektiven Zwangshandlungen verkommen dünkt es mich ebenso wichtig, dass Handlungen immer wieder hinterfragt werden. Hinterfragt und mit der eigenen Haltung abgeglichen werden. Aber auch gesellschaftlich immer wieder neu ausgehandelt werden. Aktuelles einbeziehen sowie gut und klug in die traditionellen Handlungen einbetten.
Mein Fazit zu Ritualen ist folglich: Sich jährlich wiederholende Handlungen sind für mich persönlich ein wesentlicher Bestandteil im Jahresrythmus. Dennoch erachte ich es für mich wichtig, dass die persönliche Note, die Individualität ihren nötigen Raum und Platz erhalten soll. Ein perfektes Ritual vereint vielleicht am idealsten das Beste aus zwei Welten. Einerseits aus der eher traditionellen Welt und anderseits dasjenige aus meiner persönlichen Welt, die durch meine Werte und Grundhaltungen geprägt ist. Grundsätzlich bedeutet dies aber für mich klar, weniger Kommerz und mehr Herz, Demut und Persönlichkeit.
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