top of page

Wortmacht.

  • Daniel
  • 26. Okt. 2023
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 6. Jan. 2024

Eine sensible Sprachwahl ist im Jahr 2023 wichtiger denn je. Weshalb dem so ist und was ein gemein-gesellschaftlicher Schritt zur inklusiveren Sprache sein könnte. Hier ein möglicher Ansatz.

Als Autor der Gedankenchuchi bin ich mir der Sprach- und Wortmacht sehr bewusst. Worte können verletzen. Emotionen auslösen. Erzürnen. Beleidigen. Ausschliessen und genauso einschliessen. Nun debattiert gefühlt die halbe Schweiz darüber, wie der vermeintlich richtige Sprachgebrauch aussehen soll. In der Stadt Zürich soll dies mit der Initiative "Tschüss Genderstern" nun gar mittels Volksabstimmung entschieden werden. Die Initiative verlangt, dass in der Gemeindeordnung festgehalten wird, dass die Stadt eine «klare, verständliche und lesbare Sprache» verwendet und daher in den Dokumenten auf Sonderzeichen verzichtet wird. Der positive Aspekt dieser Debatte erachte ich darin, dass in der breiten Öffentlichkeit über Sprache verhandelt wird. Dabei kennen wir das aus dem Englischen importierte Wort Gendern erst seit kurzem. Und es hat auch erst seit kurzem einen Platz im Duden. Die Sprache hat sich schon immer verändert. Und wird sich weiter verändern. Anpassen an die gesellschaftlichen Strukturen und deren Vielfalt. Gendern nüchtern betrachtet bedeutet im Grundsatz, dass beim Sprechen und Schreiben Formulierungen gewählt werden, die alle biologischen wie auch sozialen Geschlechter bzw. Geschlechtsidentitäten einbeziehen – weiblich, männlich, intergeschlechtlich, trans, nicht-binär und viele mehr. Nun mögen einige bereits wegklicken. Schade! Denn das Wort gendern löst leider bei einigen ein Gefühl des Unbehagens aus. Ich bin jedoch der Meinung, dass sich Sprache weiterentwickeln soll, darf und muss. So habe ich für mich entschieden, dass meine Texte geschlechtergerecht verfasst werden. Auch dies ganz nüchtern betrachtet heisst nichts anderes, als dass alle handelnden Personen in einem Text sichtbar gemacht werden. Geschlechtergerecht bedeutet kurzgefasst, alle als gleichwertig darzustellen. Meiner Ansicht nach ist dies, also das gleichwertige Behandeln aller handelnden Personen, ein unumstrittener Punkt. Als strittig wird mehr die visuelle Darstellung der geschlechtergerechten Sprache durch Gender-Sonderzeichen angesehen. Dahingehend nämlich, dass mit dem sogenannten Genderstern (Asterix) Personen sämtlicher Geschlechter in einen Text einbezogen werden können. Der Genderstern dient der inklusiven Sprache in Kurzform. Und doch möchte ich etwas an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen. Nämlich die Tatsache, dass der Asterix beispielsweise in Werbekampagnen nicht immer korrekt eingesetzt wird. Meist liegt dies an einer gut gemeinten Kommunikation, was positiv zu werten ist. Nur leider stimmt deren Einsatz nicht mit dem überein, wie es eigentlich vorgesehen wäre. Daher plädiere ich besonders in dieser Thematik dafür, dass jede und jeder sich mit der inklusiven Sprache auseinandersetzt. Das Verfassen von Texten mit einer inklusiven Sprache bedarf einer Sorgfalt, Übung und ein Experimentieren. Neugier und Mut sind gefragt. Auch meine Texte und mein Verständnis für die aus meiner Sicht richtigen Wortwahl entwickelt sich laufend. In diesem Text finden sich nämlich verschiedene Variationen von geschlechtergerechter Sprache, wie höchstwahrscheinlich aufmerksame Leser:innen bemerkt haben. Als Sonderzeichen nutze ich in Fällen, in denen zur einfacheren Verständlichkeit und dem Lesefluss dienlich, den Doppelpunkt. Genau diese geschriebene Vielfalt macht für mich einen Text aus - nebstdem natürlich der Inhalt relevant ist. Die ganze Sprach-Debatte erinnert mich an ein Pendel. Die eine Seite fordert die sofortige Umsetzung der inklusiven Sprache, überfordert dabei einen Teil der Gesellschaft. Die andere Seite banalisiert die Debatte und stempelt dies als Gender-Gaga ab. Wie erwähnt, die Debatte ist grundsätzlich wichtig und gut. Das Pendel schlägt jedoch meiner Meinung nach in dieser Diskussion zu stark aus. Es wäre für eine wertvolle und konstruktive Gesprächskultur sinnvoller, wenn das Pendel näher in der Mitte zum Ruhen kommt. Etwas mehr Ruhe täte der ganzen Debatte gut.

"Nicht die Sprache verändert die Welt. Die Realität verändert die Sprache".

Dass die Wortwahl jedoch entscheidend im Aufbrechen von klassischen Rollenbildern ist, ist nicht nur nachvollziehbar, sondern erwiesen. Worte prägen unser Denken. Beim Denken entstehen Bilder. Bilder, die sich im Gedächtnis festsetzen. Und damit werden teils irrtümlich falsch geprägte Bilder abgespeichert und zementiert. Das generische Maskulin, das hier angesprochen wird, verharrt damit im Sprachgebrauch. Dieses besagt in der Linguistik, dass wenn beispielsweise 99 Chorsängerinnen und 1 Sänger in einem Chor mitsingen, alle mitwirkenden Personen als Chorsänger bezeichnet werden. Die männliche Form wird hier im allgemeingültigen Sinne gebraucht: Sobald in einer Gruppe von Menschen auch nur ein einziger Mann dabei ist, kann und soll die männliche grammatikalische Form verwendet werden – unabhängig davon, wie viele Frauen im Chor mitsingen. Studien haben jedoch gezeigt: Insbesondere Mädchen und Frauen werden bei dieser Sprachform nicht wirklich gedanklich einbezogen. Dieses Beispiel zeigt, dass der allgemeine sprachliche Gebrauch in geschriebenen Texten dringend angepasst werden soll. Dies ist der Beginn der sprachlichen Inklusion. Im Weiteren und somit dem gendersensiblen Sprachgebrauch geht es darum, alle Geschlechtsidentitäten zu inkludieren. Geschlechtersensibel geht einen Schritt weiter als das Wort geschlechtergerecht. Es fragt stärker nach Geschlechter-Rollen und ob diese noch Bestand haben. Zugleich fordert dieser Begriff auf, sich durch einen Perspektivwechsel in ein anderes Geschlecht hineinzuversetzen. Gendersensible Medienarbeit bedeutet somit, differenzierte Rollenbilder zu vermitteln und Diskriminierungen aller Art zu vermeiden.


Nun also zum Fazit: Damit die sprachliche Inklusion in geschriebenen Texten funktioniert, bedarf es einem persönlichen Auseinandersetzen, was inklusive Sprache und deren Unterscheidungen bedeuten. Um schlussendlich Rollenklischees aufzubrechen, helfen geschlechtsneutrale Formulierungen (z.B. Lehrpersonen, Fachkraft, Kaufleute). Ich möchte meine Leserschaft ermuntern und zugleich ermutigen, die vielfältige Sprache zu entdecken. Und um einen ersten Schritt zu gehen, dass zumindest das generische Maskulin in Texten verschwindet, indem mindestens nebst der männlichen auch die weibliche Form genannt oder wie soeben ausgeführt, die neutrale Formulierung verwendet wird. Die geschlechtersensible und somit vollständig inklusive Sprache ist anzustreben, dies vielleicht als zweiter Etappenschritt. Ich wünsche einen neugierigen Blick auf die sprachliche Vielfalt. Eine gewisse Entspanntheit der gesamten Gendersprach-Thematik gegenüber. Lust und Freude am Entdecken der sprachlichen Formen. Ebenfalls erachte ich es als bedeutsam, dass Sprache in ihrer Zeit verbleiben darf. Wie erwähnt, im Sinne einer stetigen Entwicklung. Und zu guter Letzt: Seien wir uns bewusst, dass Sprache immer ER-mächtigen oder ENT-mächtigen kann.


Wörterbuch:

Geschlechtergerecht: Dieses Adjektiv zeigt auf, dass es darum geht, alle handelnden Personen gleich welchen Geschlechts in Wort und Bild gleichermassen sichtbar zu machen. Geschlechtergerecht bedeutet, alle als gleichwertig darzustellen, Maßstab ist die Gerechtigkeit. Viel zu häufig ist der Mann die Norm, und die weiteren Geschlechter bleiben unsichtbar oder werden auf verschiedene Arten abgewertet.


Geschlechtersensibel: Die Adjektive geschlechtersensibel oder auch gendersensibel gehen einen Schritt weiter als das Wort geschlechtergerecht. Sie fragen stärker nach Geschlechter-Rollen und ob diese noch Bestand haben. Sie fordern auf, sich durch einen Perspektivwechsel in ein anderes Geschlecht hineinzuversetzen. Gendersensible Medienarbeit bedeutet, differenzierte Rollenbilder zu vermitteln und Diskriminierungen aller Art zu vermeiden.


Geschlechtsneutral: Formulierungen, die keinen Rückschluss auf das Geschlecht geben, sind geschlechtsneutral. Beispiele: Lehrkraft, Pflegepersonal, Kaufleute, ärztliches und pädagogisches Fachpersonal. Mit diesen Wörtern lassen sich alle beschreiben, die zu der jeweiligen Berufsgruppe gehören, egal welches Geschlecht sie haben. Menschen, Leute, Personen sind ebenfalls geschlechtsneutrale Begriffe.


Comments


Inputs. Fragen. Anmerkungen.
Wir freuen uns auf dein Feedback! 

Danke für deine Nachricht

Impressum      Datenschutz       Netiquette

© 2025 Gedankenchuchi

bottom of page